Die Frage von lebenslanger Schuld und Verantwortung wird an dem Beispiel Oskar Grönings, der als junger Mann als Mitglied der Waffen-SS in Auschwitz gedient hat, greifbar. Im Alter wurde er wegen Beihilfe zum Mord an hunderttausenden Juden verurteilt.
Mit 19 Jahren trat Oskar Gröning 1940 der Waffen-SS bei und wurde zwei Jahre später nach Auschwitz abkommandiert. Da er die Wertsachen der Häftlinge verwaltete und ihr Geld an das NS-Regime weiterzuleiten hatte, war ihm der Massenmord in dem Konzentrationslager in vollem Umfang bekannt. Als nicht unmittelbar an Morden Beteiligter räumte er drei Jahrzehnte später seine moralische Verantwortung ein und bezeugte das Ausmaß der Verbrechen in Auschwitz, ohne sich selbst jedoch schuldig zu bekennen. 2015 wurde er wegen seiner Buchhaltertätigkeit, die zum planmäßigen Ablauf des Massenmordes beigetragen habe, in Lüneburg angeklagt. Inzwischen wurde er rechtskräftig wegen Beihilfe zum Mord an 300.000 Juden verurteilt und tritt mit 96 Jahren seine Haft an. Anhand von Interviews und Gerichtsprotokollen hat Reiner Engelmann das Leben Grönings und zugleich das Schicksal Éva Fahidis, einer Auschwitz-Überlebenden und Zeugin in dem Gerichtsverfahren, nachgezeichnet. Die Stationen in Grönings Leben - seine ideologische Verblendung in der Jugend, versäumte Gewissensentscheidungen und ein Leben mit Schuld - werfen Fragen auf: Gibt es individuelle Verantwortung innerhalb von Unrechtssystemen? Weshalb hat die westdeutsche Nachkriegsjustiz in diesem und anderen NS-Verfahren ein früheres Urteil versäumt? Und welche Bedeutung hat die - späte - Verurteilung einzelner Beteiligte für die Opfer und ihre Nachfahren?
"Wir können die Shoa nicht verstehen, aber wir können verstehen, woher es kommt. Wir müssen wachsam bleiben (...)". Mit diesem Zitat von Primo Levi beginnt Engelmann sein Buch über das Leben, die Schuld und die Verurteilung des "Buchhalters von Auschwitz". Er erzählt von einem sehr autoritär erzogenen jungen Mann, welcher sich freiwillig zur SS meldet, dieser "zackigen Truppe"; welcher aufgrund eines Sonderauftrages in Auschwitz das Gepäck und die Wertgegenstände derer verwaltet, welche zu dem Zeitpunkt schon vergast und verbrannt wurden. Er beschreibt, wie es sein kann, dass ein Einzelner sich nicht unmittelbar für den Mord an tausenden Unschuldigen verantwortlich fühlt, obwohl er den Dienst an der Rampe leistet, die Gräueltaten mit eigenen Augen sieht und am Abend mit Selektionsarzt Mengele trinkt und feiert. Auf der anderen Seite beschreibt er das Leid, welches Eva Fahidi erlitt, als sie und ihre Familie nach Auschwitz deportiert wurden. Sie überlebt das Vernichtungslager und sagt im Prozess gegen Gröning aus. Ein Buch gegen das Vergessen!
Verfasserangabe:
Reiner Engelmann
Medienkennzeichen:
Sachliteratur
Jahr:
2018
Verlag:
Bonn, bpb: Bundeszentrale für politische Bildung
Aufsätze:
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ISBN:
978-3-7425-0168-4
2. ISBN:
3-7425-0168-2
Beschreibung:
Sonderausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, 218 Seiten : Illustrationen
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Sprache:
Deutsch
Mediengruppe:
Buch